Phase F – aktivierende Langzeitpflege

phase F


 

Welche Bedeutung hat die Phase F für die Familien?

Pflege ist stellvertretendes Handeln im Bereich der Alltagsaktivitäten, mit dem Anspruch  die Unabhängigkeit Kranker, alter oder behinderter Menschen zu erhalten und zu fördern. Dort wo Pflege professionell ausgeübt wird, erfordert sie eine hohe Kompetenz. Diese allgemeine Definition reicht aber nicht aus, um Menschen mit schweren und schwersten Schädigungen des ZNS ausreichend zu versorgen. Aus diesem Grunde wurde für Phase F – Patienten im Rahmen der Phaseneinteilung in der neurologischen Rehabilitation die Empfehlung zur stationären Langzeitpflege und Behandlung in trägerübergreifender Zusammenarbeit 1993 veröffentlicht.

 

Therapiepflege

Auf der 1. Klausurkonferenz im Mai 1996 wurden Standards der Langzeitbehandlung in der Phase F beraten. Man war sich einig, dass für den Personenkreis der neurologisch schwerst Mehrfachbehinderten angemessene und sozialökonomisch vertretbare Konzepte geschaffen werden müssen. Es ging dabei um eine Konzeption die eben nicht nur die Rehabilitation oder nur die Pflege beinhaltet. Es wurde versucht ein erweitertes Konzept einer „Therapiepflege“ zu entwickeln. Dabei standen folgende Schwerpunkte im Mittelpunkt.

  • Einordung der Phase F in die Rehabilitationskette
  • Unterteilung der Phase F ist möglich und sinnvoll
  • Großer Bedarf an stationären Einrichtungen

Es ging also um das vorrangige Bemühen der Erhaltung und der weiteren Entwicklung des individuellen Potenzials des Menschen durch aktivierende Pflege. Besonders wurde betont, dass die Leistungen angemessen und immer individuell sein müssen. Neben der häuslichen Unterbringung und Versorgung wurde herausgearbeitet: „Unabweisbar ist jedoch der (in den Regionen der BRD graduell unterschiedlich dringliche, aber insgesamt sicherlich große) Bedarf an stationären Einrichtungen der Phase F. 

Es wurde der Patientenkreis grob in 2 Gruppen eingeteilt.
1. Bei der Gruppe 1 steht, insbesondere aufgrund von anhaltenden schweren Bewusstseinsstörungen, die umfassende Pflegebedürftigkeit im Vordergrund
2. Gruppe 2 dagegen hat trotz des Fortbestehens schwerer Mehrfachbehinderung eine Teilmobilität (ggf. Rollstuhlmobilität) behalten oder wieder erreicht und hat, trotz aller aktueller bzw. bleibender Hirnleistungsdefizite, keine umfassende Bewusstseinsstörungen erlitten bzw. Ansprechbarkeit und Kooperationsfähigkeit wieder erlangt. 

Neben der der stationären Situation wurde auch auf die Besonderheiten der ambulanten Versorgung verwiesen. Verstärkt wurde daran gearbeitet, den dingenden Bedarf nach aktivierender Langzeitpflege für Phase F – Patienten  zu tragen.

 

1. Bundesfachtagung Phase F

Am 17. November 1999 fand in Kassel die Bundesfachtagung unter dem Thema „Die Langzeitrehabilitation schwer und schwerst schädel-hirngeschädigter Menschen statt. Die Bedeutung dieser Tagung unterstrich der damalige Beauftragte der Bundesregierung, Karl Hermann Haak auszugsweise mit folgenden Worten:
“ …Wir haben alle eine Aufgabe zu bewältigen. Die Patienten nicht allein zu lassen, heißt für die betroffenen Angehörigen, vieles von eigenen Bedürfnissen zurückzustellen, heißt für das Umfeld, stärkend, helfend und beratend einzugreifen und „da zu sein“ …“
In der Kasseler Erklärung von 1999 können wir lesen: „Zur Ethik der Versorgung von Menschen mit schweren neurologischen Behinderungen – im Wachkoma und danach Rechtsgrundlagen Im demografischen Sozialstaat gilt auch für Menschen, die Risiken und Folgen von Behinderung oder schwerer Krankheit (er)tragen, ein allgemein gültiger Konsens über die unantastbare Menschenwürde, die jedem Individuum voraussetzungslos zukommt und die vom Gemeinwesen unbedingt zu schützen ist. Dieser Konsens ist niedergelegt in der zentralen deutschen Rechtsnorm – im Artikel 1 des Grundgesetzes“.
Auch heute 2008 haben diese Erklärungen  nach wie vor ihre volle Bedeutung behalten. Ich ergänze aber ausdrücklich, dass wir hier nicht nur für Menschen im Wachkoma, sondern für alle Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen eintreten. 
Beschreibung der Phase F nach BAR

 

Phase F und Ihre Bedeutung

In der  Phase F,  geht es um unterstützende, betreuende und/oder zustandserhaltende Maßnahmen. Dabei beziehen sich die Empfehlungen auf erwachsene Patienten. Für Kinder und Jugendliche sind die Empfehlungen nicht übertragbar, da die Versorgung in vielen Bereichen anders verläuft.  Wir müssen wissen, dass die Phase F ausdrücklich hervorhebt, dass die Phase F von zusätzlichen langfristigen medizinischen-therapeutischen Leistungen geprägt ist. Es wird auch beschrieben, das eine Verbesserung des Zustandes die Schädelhirnverletzten auch noch nach längeren Zeiträumen eintreten kann. Als Ziel für alle Phase F – Patienten ist die Verbesserung der Teilhabe am sozialen Leben durch die Verminderung der Beeinträchtigungen zu erreichen. Hierzu zählt auch, Pflegebedürftigkeit zu vermindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten, ggf. die Pflegebedürftigkeit zu beseitigen.

 

Der Phase F – Patient

Die Patienten der Phase F sind bedingt durch schwere und schwerste Schädigungen des ZNS stark beeinträchtigt in ihrer Unabhängigkeit sowie in ihrer Integration. Aus diesem Grunde ist es auch unabwendbar, dass sie einer speziellen Betreuung, Pflege oder auch Intensivbetreuung bedürfen. Sie sind nicht in der Lage sich selbst zu versorgen. Ihnen fehlt es an ausreichender bis fehlenden Mobilisation. Die Fähigkeit zu Kommunizieren ist stark eingeschränkt oder überhaupt nicht möglich. Es gibt ausgeprägte Verhaltungsstörungen bei diesen Patienten, bei vielen  werden lebenserhaltende Hilfsmittel eingesetzt (Ernährungssonden, Beatmungsgeräte).  
Für diese Patienten gibt es eine ganze Anzahl von Fähigkeitsstörungen, die einzeln aber auch Kombinationen auftreten können. Deshalb besteht auch Gefahr durch Folgeerkrankungen, Folgeschäden wie zum Beispiel Infektionen, Kontrakturen, Schäden durch Muskelspastik und Dekubitus.

 

Phase F – Einrichtungen

Den Erfordernissen der Zeit folgend haben sich in Verantwortung stehende Persönlichkeiten entschieden, ihre Einrichtungen auf die Bedürfnisse von Phase F-Patienten auszurichten. Stellvertretend sei hier Herr Rainer Wolf, aus Braunlage, mit  seiner Pflegeheime „“Fichteneck“ GmbH erwähnt. In diesem Jahr besteht die Phase F – Einrichtung „Fichteneck“ in Braunlage 15 Jahre. Es wurde im Verlaufe der Jahre die spezielle Fachpflege fachlich ständig erweitert.

Mit anderen Einrichtungen aus Niedersachsen wurden konzeptionelle Ideen  entwickelt, erweitert und schließlich als Standard festgeschrieben. So ist die Landesarbeitsgemeinschaft Phase F Niedersachsen Vorreiter von Ideen, die auch in der Praxis ihren Niederschlag finden. 
Ich finde es gut, dass die LAG in Niedersachsen die Vertreter der Selbsthilfe aktiv in ihre Arbeit einbezieht. So ist Frau Regine Lübke von Anfang dabei. Sie berät und vertritt die Probleme der Betroffenen und deren Angehörige in der LAG und darüber hinaus in der Öffentlichkeit.

Bundesweit ist die Bundesarbeitsgemeinschaft Phase F e. V. bestrebt ihre Aktivitäten zu verstärken. 
Konzeptionelle Gedanken der Phase F aus Niedersachsen
Seit Jahren kämpfen die Betroffenen und deren Angehörige um eine bedarfs- und qualitätsgerechte Versorgung in der stationären und ambulanten Pflege. Aber auch Einrichtungen bemühen sich um eine fachgerechte Versorgung.  Aus diesem Grunde wurde angestrebt einen Pflege TÜV einzuführen.
Rainer  Wolf hat in gemeinsamer Arbeit mit TÜV Nord Cert GmbH und dem bpa  den Pflege-TÜV nach bpa-Standard und Richtlinien des BAG entwickelt. In „Fichteneck“  wird  jährlich der Qualitätsnachweis für stationäre Fachpflege-Einrichtungen der Phase F geprüft. Es wird auch davon ausgegangen, dass alle Phase F-Einrichtungen sich diesem Pflege-TÜV stellen. 
Interessant ist auch die Arbeit der Arbeitsgruppe Ergotherapie der LAG. Hier trägt die konzeptionelle Arbeit Früchte. Die Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis, besonders für ergotherapeutische Maßnahmen  für Phase F – Patienten ist zielorientiert. Es wurde sich angelehnt an die Definition Ergotherapie des DVE aus 2007. 
Aus anderen Landesarbeitsgemeinschaften gibt es ähnliches zu berichten.

 

Angehörigenarbeit in der Phase F

Wesentlicher Bestandteil der Versorgung, Pflege und Betreuung von Phase F – Einrichtungen sollte die Angehörigenarbeit sein. Praktisch sieht diese Arbeit sehr unterschiedlich aus. Ich meine wir gehören dazu. Nicht nur deshalb weil wir als Betreuer das verbürgte Recht haben, sondern auch und vor allem deshalb, weil wir nur in Gemeinsamkeit Wege beschreiten können. Da auch in Pflegeeinrichtungen das bio-psycho-soziale Modell der ICF greift, sind die Konzepte zu prüfen und gegebenenfalls zu präzisieren.

 

Möglichkeit und Wirklichkeit

Jede Familie die durch ein schweres Schicksal betroffen wird, hat sich zu entscheiden ihren Angehörigen ambulant oder stationär versorgen zu lassen. Diese  Entscheidung fällt umso schwerer, je mehr Unklarheiten ausgesprochen werden. Was ist feststellbar. Einerseits wurden Fachpflegeeinrichtungen geschaffen, um den Menschen mit scheren Schädigungen des ZNS eine spezielle aktivierende Langzeitpflege zu garantieren. Diese Zielstellung entspricht auch den Forderungen des Sozialgesetzbuches. Das Ziel, durch aktivierende Pflege eine verbesserte Teilhabe anzustreben und so auch den Weg in die Gemeinschaft zu gestalten ist gewollter politischer Auftrag. Das findet auch seinen Ausdruck in „Rehabilitation vor Pflege“. Phase F – Patienten sind abhängig von rehabilitativen Leistungen auch in der Pflege. Wir vermeiden oder Verringern immer in Einzelfallbetrachtung den Einsatz von medizinischen und auch pflegerischen Leistungen. Wir heben in jedem Fall die Lebensqualität des Menschen und auch die der Angehörigen. Auch aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus ist eine zielgerichtet ausgewählte Fachpflegeeinrichtung das Gebot aller Entscheidungsträger. Es ist nicht hinnehmbar, dass vor allem die Krankenkassen und Sozialträger an diese Facheinrichtungen vorbei verlegen.

Es trifft aber nicht für alle zu. Immer mehr erkennen, dass durch mehr Fachlichkeit zuerst eine höherer Investition notwendig ist, um hinten heraus, mit Verbesserung der Gesundheit und damit der Lebensqualität,  die Kosten zu reduzieren. Deshalb ist meine Forderung auch unmissverständlich – Fachpflege durch Fachpflegekräfte! Steht der Mensch mit schwersten Schädigungen des ZNS im Mittelpunkt einer zielgerichteten Fachpflege, so werden auch die sogenannten Sekundärkrankheiten weitaus mehr vermieden und somit auch ein erheblicher Teil der entstehenden Kosten.

 

Zukunft der Phase F

Sollte ich eine Prognose abgeben so bin ich dazu heute nicht in der Lage. Ich kann nur die Hoffnung ausdrücken, dass wir der Fachpflegeinrichtung der Phase F das Primat geben. Wir müssen uns in unserer Tätigkeit auf den Einzelnen konzentrieren. Die Verwirklichung des Teilhabegedankens umzusetzen, beginnt mit der Entscheidung „Wohin verlegen wir den Phase F – Patienten? Wollen wir den Weg zur Teilhabe – dann in die Fachpflege, wollen wir eine Ablage in die Altenpflege – nein, das wollen wir nicht!!!“

Aus gegeben Anlass hatten Herr Karl-Eugen Siegel und ich einen Brief an die Sozialministerin Frau Mechthild Ross-Luttmann aus Niedersachsen geschrieben. In ihrem Antwortschreiben vom 05. Mai 2008 ist folgendes zu entnehmen:
„Ihren Befürchtungen, dass die Spezialeinrichtungen der Phase F aus Kostengründen nicht mehr belegt oder nur noch „Hilfskräfte“ für die Versorgung und Betreuung von Schwerstschädelhirnverletzten eingesetzt werden, möchte ich entgegentreten. Gerade der Personenkreis der Schädelhirngeschädigten der Phase F bedarf dringend einer besonders umfassenden und individuellen Betreuung.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass die Spezialeinrichtungen der Phase F eine qualitäts- und bedarfsgerechte Versorgung dieser Menschen leisten. Deshalb beabsichtige ich auch nicht, daran in Zukunft etwas zu ändern.“      
Bleibt  zu hoffen, dass nicht nur die Empfehlung der BAR, sondern auch die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen Anwendung finden