Ingrid Zoeger, Jahrgang 1961, Dipl.Ing. (FH)Maschinenbau, freiberufliche Dozentin, verwitwet, eine Tochter
Geboren und aufgewachsen bin ich in Nordhausen/Thüringen. Nach Schul- und Berufsaus-bildung absolvierte ich ein Maschinenbaustudium. Dort lernte ich meinen Mann Harti kennen und seitdem gingen wir gemeinsam durchs Leben. Unsere Familie lebt in Sondershausen.
Anfang Januar 2003 bekam Harti zu Hause beim Fernsehen eine Subarachnoidalblutung mit anfänglicher linkseitiger Lähmung. Die Prognose der Ärzte: „ …das überlebt er nicht!“ Fast vier Wochen war er dann im künstlichen Koma. Danach folgte eine lange Reha-Phase. Mein Harti kämpfte sich zurück ins Leben.
Es gab viele Stolpersteine, Schritte vor, aber auch einige wieder zurück. Er bekam meine volle Unterstützung, ich war jeden Tag bei ihm und wir übten die vielen kleinen Dinge unseres Lebens neu zu lernen und zu erleben. Wir wurden und das waren wir vorher schon, aber jetzt noch mehr, eine verschworene Gemeinschaft. Die Familie und unsere Freunde rückten noch dichter zusammen. Unser erstes Enkelkind wurde in dieser Zeit geboren und es motivierte seinen Opa wieder das Laufen zu lernen, indem er beim Lauftraining den Kinderwagen schob.
Harti wurde aus der Reha als austherapiert entlassen. Die Ärzte der Reha-Klinik wollten ihn in die Psychiatrie wegen seinen Orientierungsproblemen einweisen. Dies konnte ich als seine Betreuerin, wurde ich im Schnellverfahren, verhindern. Ich hatte viel Ärger mit den Ärzten der Reha-Klinik, der Krankenkasse und dem LandesMDK, sodass ich dann eine Klage beim Sozialgericht einreichte, um bestimmte Dinge, die man uns verwehrte einzufordern. Bis zur Anhörung waren wir gekommen und dort bekam ich alles durch, was ich/wir wollten. Heute weiß ich aber, dass ich hätte weitermachen müssen, aber irgendwann ist bei jedem der kämpft der Akku leer.
Unser Leben veränderte sich, wir setzten die Prämissen neu. Wir hatten drei wichtige Thesen: 1. Leben leben 2. Lachen ist die beste Medizin 3. Man muss miteinander reden
Durch das Alltagstraining, was mein Mann und ich machten, konnte er wieder am Leben teilnehmen. Sein größtes Ziel war wieder Auto zu fahren, dies hatten wir gemeinsam geschafft. Obwohl das Thema Schädelhirnverletzung und Auto fahren auch ein schwieriges Kapitel ist.
Durch unsere eigene Betroffenheit kam ich dann zur Selbsthilfearbeit, lernte eine alte Dame kennen, die selbst betroffen war und mir sehr viele wertvolle Hinweise gab und mir den Kontakt zu einem Chefarzt einer anderen Reha-Klinik in Thüringen herstellte. Dieser nahm sich Zeit für mich, ich durfte mit Hartis Krankenakte zu ihm kommen, er hörte mir zu und gab mir Hinweise, wie ich weitermachen sollte.
Ganz kurz war ich dann Mitglied bei Schädelhirnpatienten in Not. Diesem Verband kehrte ich aber ganz schnell wieder den Rücken, als ich mitbekam, dass hier nicht die Betroffenen und Angehörigen im Mittelpunkt stehen. Unter Selbsthilfearbeit verstehe ich andere Dinge und Werte. Deshalb gründete ich mit anderen Gleichgesinnten den Bundesverband FORUM GEHIRN und später den SelbstHilfeVerband – FORUM GEHIRN e.V..
Als Landesvertreter unseres Verbandes bin ich in Thüringen aktiv und wurde durch meinen Mann Harti dabei unterstützt.
Ganz unerwartet verstarb mein Mann im März 2015 und trotzdem engagiere ich mich weiter für unsere betroffenen Familien. Mir hilft dies meinen eigenen Schicksalsschlag zu verarbeiten und mir ist sehr bewusst, wie schwer es ist, ganz plötzlich selbst betroffen zu sein.
Dabei ist wichtig, was für unsere Betroffenen und Angehörigen vor Ort passiert. Regelmäßig führe ich persönliche Gespräche mit betroffenen Familien, aber auch unseren Partnern, den Medizinern, Pflegekräften, Therapeuten, Kostenträger usw. durch.
Wir sind das Sprachrohr unserer Betroffenen und deshalb sollten wir immer auf Augenhöhe miteinander sprechen. Deshalb habe ich auch selbst eine Fortbildung zum Persönlichen Budget gemacht und mich als Budgetberater/-assistenz ausbilden lassen. Heute mache ich zu diesem Thema Vorträge und Beratung und begleite Familien bei der Beantragung und unterstütze sie dabei. Wenn wir es nicht selbst tun ein anderer tut es nicht für uns.
Manchmal bin ich ungeduldig, wenn es mir um wichtige Dinge für unsere betroffenen Familien geht und es geht nicht richtig vorwärts.
Mittlerweile habe ich gute Möglichkeiten durch meinen Job, ich unterrichte ausländische Mediziner und Pflegekräfte in der deutschen Sprache, denen zu vermitteln, wie wichtig das Arzt – Patienten –Verhältnis ist.
In den letzten Jahren habe ich mich mit vielen neuen Themenfeldern beschäftigt, dazu zählt z.B. auch die Wesensveränderungen bei Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und vieles mehr. Ganz viele neue, liebe und interessante Menschen habe ich kennen und schätzen gelernt.
Ich bedanke mich für das Vertrauen, was man mir entgegenbringt, dass ich im Bundesvorstand unseres Verbandes mitarbeiten darf. Auf die bevorstehenden Aufgaben freue ich mich und bin gespannt auf die Zukunft.
Bitte unterstützen Sie uns bei unserer Arbeit, mit Ihren Fragen und Hinweisen. Machen Sie mit! Rufen Sie an, ich höre Ihnen gern zu.
Tel. 03632 – 759226 oder 0171- 7235144 oder i.zoeger@shv-forum-gehirn.de
Liebe Grüße aus Thüringen
Ingrid Zoeger