Sterbehilfe für Wachkoma-Patienten?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden!
Auch in diesem Fall war es wieder ein Streit unter Familienmitgliedern darüber, ob der sich im Wachkoma befindliche Vincent Lambert sterben darf oder soll? Hier zeigen sich wieder einmal die grundsätzlichen gegensätzlichen Ansichten von Leben oder Sterben im Zusammenhang mit dem Zustand des sog. Wachkomas.
Über viele Instanzen ist dieser Streit gegangen und letztendlich hat das Gericht entschieden. Da es ein endgültiges Urteil ist, dürfen die entsprechenden Maßnahmen zum Sterben durch Nahrungsentzug durch die Ärzte eingeleitet werden.
Was ging dem voraus?
Seit sieben Jahren, durch einen Verkehrsunfall verursacht, liegt der querschnittsgelähmte Vincent Lambert im Zustand des sog. Wachkomas.
Die Ärzte hatten in Übereinstimmung mit der Ehefrau und einigen Geschwistern beschlossen, die künstliche Ernährung einzustellen.
Die Eltern und 2 weitere Geschwister wollten ihn weiterhin am Leben halten.
Diese beiden gegensätzlichen Ansichten konnten sicherlich nicht einvernehmlich beigelegt werden und so wurde der Streit juristisch ausgetragen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Entscheidung des obersten französischen Verwaltungsgerichts, die künstliche Ernährung des Wachkoma-Patienten Lambert zu beenden, gebilligt. Mit Mehrheit stellten die Richter fest, dass die Entscheidung kein Verstoß gegen das Recht auf Leben der Europäischen Menschenrechtskonvention sei.
In den vergangenen Jahren wurden einige Schicksale bekannt, wo in ähnlichen Konstellationen Entscheidungen zum Sterben getroffen wurden.
Deutschland diskutiert über Sterbehilfe
In Deutschland stehen uns noch viele Diskussionen um die aktive Sterbehilfe bevor. Es wird erwartet, dass sich der Bundestag im Herbst zum Thema Sterbehilfe festlegen wird. In allen politischen Lagern wird kontrovers diskutiert und es werden unterschiedliche Standpunkte vertreten.
Was ich nicht für gut heiße ist, dass diese Sterbehilfediskussion fast immer im Kontext mit „Wachkoma“ steht.
Alle wissen es und trotzdem wird dieser Zusammenhang zwischen Wachkoma und Sterben falsch dargestellt. Menschen im Wachkoma sind keine Sterbenden. Sie können sehr wohl in diesem Bewusstseinszustand ein in ihrer Lebenswelt zufriedenes Leben haben. Diese Erfahrung ist nur einzeln zu betrachten und wird auch durch viele Angehörige so erlebt. Gleichzeitig sind aber auch andere Sichtweisen anzutreffen. Auch das ist sehr verständlich. Aber genau aus diesem Grunde müssen klare Regelungen geschaffen werden.
Was aber machen, wenn ein solches Schicksal die Familien trifft?
Hier sehe ich einen grundsätzlichen Ansatz für viele Familien, sich mit diesem emotional brisanten Thema zu beschäftigen. Meine Erfahrungen zeigen, dass viele Familienangehörige, da sie emotional tief getroffen sind, auch ihre Entscheidungen so emotional treffen. Auch Betreuerinnen und Betreuer, die aus dem familiären Umfeld diese Verantwortung übernommen haben, neigen dazu. Auch wenn es nicht leicht zu verstehen bzw. umzusetzen ist, sind wichtige Entscheidungen rational zu durchdenken und zu treffen. Gerade die Herausforderungen, die ein solches Schicksal mit sich bringen, sind von herausragender Bedeutung. Sie bestimmen den weiteren Verlauf eines Lebens dauerhaft.
Da geht es dann, wie auch bisher immer wieder in den Raum gestellt, um den „mutmaßlichen Willen“ des Wachkoma-Patienten. Ist es aber auch der tatsächliche Wille des Betroffenen? Das ist so eigentlich nicht grundsätzlich zu bestimmen oder gar zu behaupten.
Ja, es stimmt. Wer möchte schon in einen Zustand des Wachkomas geraten? Es sind Schicksalsschläge, wo im Ergebnis dessen Menschen unbeabsichtigt in einen Wachkomazustand geraten.
Da diese Diskussionen schon viele Jahre immer wieder in der Öffentlichkeit sehr emotionell geführt werden (zumeist bei durch ein solches Schicksal betroffenen Prominenten bzw. in der Öffentlichkeit stehenden Persönlichkeiten), müssen wir uns schon die Frage stellen dürfen: Warum treffen die Menschen nicht selber ihre eigenen Festlegungen?
Das Thema Patientenverfügung / Vorsorgevollmacht hat noch immer nicht den erforderlichen Stellenwert zur Entscheidungsfindung erreicht. Jeder Einzelne ist aufgerufen, ab dem 18. Lebensjahr eine Patientenverfügung anzufertigen und mit den Familienangehörigen zu beraten. Unfälle jeglicher Art geschehen unabhängig des Alters, des Geschlechts und zu jeglicher Zeit.
Jeden kann es treffen. Warum wollen wir unsere Familienangehörigen in Entscheidungszwänge bringen, wo wir doch diese Entscheidungen eigentlich selber treffen sollten und auch müssen. Die Klarheit von persönlichen Entscheidungen, bringen auch Ärzte nicht in Konflikte. Sie können dann auf Grund einer Patientenverfügung klar und unabhängig von der eigenen Entscheidung handeln. Wichtig ist, dass die Patientenverfügung durch jeden persönlich in einem Beratungsgespräch mit dem Arzt seines Vertrauens abschließend beraten wird.
Das lässt sich dann durch Unterschrift unter der Patientenverfügung dokumentieren.
Damit sind alle Voraussetzungen geschaffen worden, dass dann in den entscheidenden Augenblicken die Ärzte und Familienangehörigen die richtige Entscheidung treffen, die dem tatsächlichen Willen des Betroffenen entsprechen.
Wenn dann der „festgeschriebene persönliche Wille“ des Patienten auch für Menschen im sog. Wachkoma maßgeblich ist, dann haben alle / wir / ich sicherlich einen guten Schritt in die Richtung getan.
Lothar Ludwig
Ehrenvorsitzender
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