Realitätsverlust? Lauterbach zieht positive Bilanz
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat zum Jahreswechsel eine Bilanz seiner bisherigen Amtszeit gezogen und sieht das zentrale Versprechen, keine Leistungseinschränkungen für Patientinnen und Patienten einzuführen, erfüllt. In einem zwölfseitigen Brief an die Bundestagsfraktionen der SPD und Grünen betonte er: „Wir können mit Fug und Recht behaupten: Wir haben viel erreicht.“ Trotz erheblichem Sanierungsbedarf im Gesundheitswesen sei es gelungen, umfassende Reformprozesse anzustoßen.
Reformen im Fokus
Lauterbach hob insbesondere die Krankenhausreform hervor, die er als die bedeutendste Strukturveränderung der letzten 20 Jahre bezeichnete. „Mit der Krankenhausreform haben wir wichtige Weichen gestellt“, schrieb er. („Auch wenn Minister Lauterbach meint, dass mit Beschluss eines Gesetzes schon Weichen gestellt sind oder gar bereits die Reform umgesetzt ist, so ist dies realitätsfremd. Bisher stellt sich, in der Modellregion NRW, heraus, dass durch diese Reform, u.a. die Frührehabilitationseinrichtungen in der bisherigen Form abgeschafft werden. Eine erfolgreiche Reform sieht anders aus!“ Krankenhausreform NRW). Zudem seien durch das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz Kinderstationen und Geburtshilfen finanziell abgesichert worden. Ein weiterer Erfolg sei das Krankenhaustransparenzgesetz, das die Grundlage für den Bundes-Klinik-Atlas geschaffen habe – auch wenn dessen Einführung mit technischen Problemen einherging. („Nicht nur die technischen Probleme sind hier markant, auch die inhaltliche Substanz ist mehr als fragwürdig und mehr als Krankenhausverwirrundschwächungsgesetz zu bezeichnen.“ Bundes-Klinik-Atlas).
Neben den Reformen im Krankenhausbereich zählt Lauterbach acht weitere Gesetzesinitiativen auf, darunter das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) sowie das Medizinforschungsgesetz (MFG). Diese Maßnahmen hätten die Strukturen im Gesundheitswesen nachhaltig verändert. („Ich muss weiterhin auf Ersatzpräparate ausweichen!“).
Offene Baustellen
Nach dem Ende der Ampelkoalition bleibe jedoch noch viel zu tun, wie Lauterbach betonte. Besonders drängend sei die Stabilisierung der finanziellen Lage der Krankenkassen und der Pflegeversicherung. Lauterbach kündigte ein „Gesamtpaket“ an, das Maßnahmen zur Schließung der Finanzierungslücke sowie Verbesserungen in der Prävention und Pflege umfassen soll. Details hierzu sind bislang nicht öffentlich bekannt. („Wie? Natürlich hat mir meine Krankenversicherung mitgeteilt, dass sie die Beiträge erhöht, bzw. schon erhöht hat. Das ist offiziell!“).
Zu den weiteren Herausforderungen zählen laut dem Minister die Notfallreform, die Stärkung der hausärztlichen Versorgung („Herr Minister, suchen Sie mal einen neuen Hausarzt. Und dann fragen Sie ihn, ob er zu Ihrer komatösen Partnerin nach Hause kommt. Oder er eine Potenzialerhebung macht oder eine entsprechende Verordnung, etc. – Sie werden keinen finden! Das ist die Realität und nicht die Theorie Ihrer Gesetze!“ IPReG) und die Verbesserung der ambulanten Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die entsprechenden Gesetzesentwürfe – das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) sowie die Notfallreform – waren nahezu abgeschlossen, konnten jedoch aufgrund des Ampel-Endes nicht verabschiedet werden.
Ausblick
Lauterbach sieht die Erneuerung des Gesundheitssystems als ein langfristiges Projekt, das über eine Legislaturperiode hinausreicht. „Die Modernisierung unseres Gesundheitswesens wird in der nächsten Legislaturperiode fortgeführt werden können, da wir über gute und ausgereifte Regelungsvorschläge verfügen“, heißt es in seinem Brief. Trotz Kritik an einzelnen Gesetzesvorhaben, etwa dem Apothekenreformgesetz und dem Gesund-Herz-Gesetz, blickt der Minister optimistisch auf die anstehenden Aufgaben.
(„Herr Minister Lauterbach, ist es bei Ihnen schon angekommen, dass der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den 20. Deutschen Bundestag aufgelöst und Neuwahlen für den 23. Februar 2025 angesetzt hat? Das ist die Realität, mit der auch Sie nun konfrontiert sind. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, das die kommende Regierung vielleicht ein AREBOG erlässt!“)
Das Antirealitätsentfremdungs- und Bürgerorientierungsanpassungsgesetz (AREBOG) zielt darauf ab, staatliche Strukturen und Entscheidungsprozesse stärker an den tatsächlichen Lebensrealitäten der Bürgerinnen und Bürger auszurichten, indem bürokratische Hürden abgebaut und partizipative Mitgestaltungsmöglichkeiten gefördert werden. Gleichzeitig sollen bestehende Fehlentwicklungen korrigiert und eine nachhaltige Anpassung von Verwaltung, Gesundheitssystem und sozialen Leistungen an die Bedürfnisse der Bevölkerung erreicht werden.
Quelle für Lauterbachs Brief an seine Fraktion und die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ärzteblatt, Montag, 6. Januar 2025: Lauterbachs Bilanz: „Viel erreicht und noch viel vor“