Hilfsmitteleinweisung: Hilfe! Renate hängt in der Luft

rief eine Krankenschwester. Ich eilte ins Pflegezimmer und sah mir das Malheur an. Meine Frau saß in einem Liftertuch, das an einer in die oberste Position gefahrenen Deckenlifterkassette angehängt war. Die Lifterkassette reagierte nicht mehr auf Steuerbefehle. Renate konnte nicht mehr auf ihr Pflegebett abgesenkt werden.

Lifterkassette mit erklärender Erläuterung und Textfahne am Ladestecker

Kein Problem, dachte ich, man braucht nur die Notabsenktaste in solchen Fällen zu drücken. Überraschung: Ein separater Notabsenkknopf, wie bei der alten Lifterkassette, war nicht mehr vorhanden. Stattdessen gab es einen elastisch folierten Drücker mit einem Warndreieck aufgedruckt. Ich drückte ihn. Nichts. Keine Reaktion. Panik stieg auf. Renate durfte nicht zu lange im Liftertuch hängen. Auf das Pflegebett zu klettern und die Gurte des Liftertuches durchzuschneiden, wäre eine gefährliche Lösung gewesen wegen des unsicheren Standes auf dem Bett und der Gefahr eines nicht mehr zu kontrollierenden Absturzes von Renate. Wir entschieden uns, mit sämtlichen Kissen, Bettdecken und Lagerungsmitteln einen Kissenberg auf dem Bett zu bauen und diesen so weit hochzufahren, dass Renate nach dem Anhängen und im Notfall Durchschneiden der Liftertuchgurte darauf zu liegen kam. Es war zwar etwas wackelig, aber die Krankenschwester und ich konnten so Renate erfolgreich aus dem Liftertuch befreien, das Bett samt Kissenbezug absenken und anschließend die Kissen Stück für Stück wegziehen, um Renate wieder glücklich ins Pflegebett zu positionieren.

Warum hatte die Notabsenkung nun nicht funktioniert? Ein Studium des Bedienungshandbuchs löste das Rätsel. Man muss mit beiden Händen sowohl das Warndreieck als auch die Absenktaste mindestens drei Sekunden gleichzeitig gedrückt halten, um die Notabsenkung auszulösen. Umständlicher und verwirrender geht es kaum noch!

Ich habe eine Kurzanweisung zur Auslösung der Notabsenkung an der Kassette angebracht (siehe Foto) und allen Nutzern des Deckenlifters eine kurze Einweisung und Erläuterung gegeben. Eigentlich wäre dies eine Pflicht des Hilfsmittellieferanten gewesen. Seit diesem Vorfall achten wir stets auf eine Einweisung bei einem Hilfsmittelersatz.

Besonders wichtig ist es, dass die Auslösung von sicherheitsrelevanten Notfunktionen und Notabschaltfunktionen allen Nutzern deutlich beschrieben und praktisch geübt wird. Hier sollten auch keine Hilfsmittel wie Videounterricht oder Videokommunikation zur Anwendung kommen, denn eine persönliche Einweisung in der realen Umgebung ist durch nichts zu ersetzen.

Nachtrag: Neben unserem Stehgerät „parken“ wir üblicherweise die Deckenlifterkassette. Beide Hilfsmittel werden im geparkten Zustand an ihre Ladegeräte angeschlossen, um die Blei-Gel-Akkus zu „pflegen“. Wir fanden heraus, dass die Stecker der Ladegeräte vertauscht werden können, weil sie die gleichen Abmaße haben und farblich nicht unterscheidbar sind. Das Ladegerät des Stehgerätes kann aber die Akkus der Lifterkassette nicht aufladen und umgekehrt. Damit stand die Ursache der nicht mehr ansteuerbaren Lifterkassette fest: Sie war tiefentladen, obwohl ein Ladekabel – leider das falsche – vorher angeschlossen war. Abhilfe: An jeden Ladestecker wurde eine Textfahne mit dem Namen des zugehörigen Geräts angebracht.

Es ist höchste Zeit für eine Vereinheitlichung der Ladetechnik und der Ladekabelabschlüsse im Medizinproduktebereich, ähnlich wie im Handybereich, schließlich geht es hier um die Sicherheit der Menschen bzw. Patienten!

Dr. Manfred Schlich

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