Wo und von wem werden die Pflegebedürftigen zukünftig gepflegt?
Das GKV-IPReG (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz) hat viele Intensivpflege-Betroffene und deren Angehörige in Angst und Schrecken versetzt. Sie fürchten sich vor einem Versorgungsabbruch ab Ende Oktober 2023. Es gibt schon erhebliche Probleme bei der notwendigen Potenzialerhebung und der Verordnung von AKI (Außerklinischer Intensivpflege), weil viel zu wenig potentialerhebende und verordnungsberechtigte Ärzte zur Verfügung stehen. Auch der MD (Medizinische Dienst) hat nicht ausreichend qualifiziertes Personal für die erforderlichen vor Ort Begutachtungen zur Verfügung. Hinzu kommt, dass das benötigte Fachpflegepersonal weder in der ambulanten noch in der stationären Pflege vorhanden ist.
Die jetzt noch funktionierenden Arbeitgebermodelle im PB (Persönlichen Budget), die auch geschulte Pflegehilfskräfte für die Versorgung einsetzen, stehen möglicherweise vor dem Aus. Einigen Betroffenen ist schon signalisiert worden, dass ab Ende Oktober die eingesetzten Pflegehilfskräfte nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden, sondern die Eingliederungshilfe zuständig sei. Die Politiker haben uns mehrfach versprochen, dass es zu keinen Versorgungsabbrüchen kommt. Aber können wir das glauben, wenn die Gesetze so unklar formuliert sind, dass es für eine Verweigerung des Leistungsanspruches Spielraum gibt? Auch das versprochene „Nachschärfen“ des Gesetzes seitens der Politik kommt viel zu spät. Unser Verband weist seit Jahren auf die problematischen Formulierungen im Gesetz hin und hat auch konkrete Lösungsvorschläge gemacht. Unsere intensiven Bemühungen wurden und werden von kompetenten Fachleuten begleitet und unterstützt, auch in Form von speziellen Gutachten. Diese wichtigen Informationen stellen wir unseren Mitgliedern zur Verfügung. Alles Wichtige dazu können Sie in einer eigenen Rubrik (IPReG) auf unserer Homepage nachlesen.
Was können die Betroffenen tun, wenn die Krankenkasse die weitere Bezahlung der jetzigen Versorgung im Arbeitgebermodell ablehnt?
Betroffene sollten eine einstweilige Verfügung (Eilanordnung) zur Kostenübernahme vor dem Sozialgericht einreichen und evtl. bei akuter Gefährdung eine Einweisung des Patienten auf eine Intensivstation ins Krankenhaus veranlassen. Wenn das viele Betroffene machen müssen, dann sind sowohl die Sozialgerichte als auch die Krankenhäuser völlig überlastet. Auch eine Verlegung bzw. Unterbringung des Patienten in einem Intensivpflegeheim oder einer Intensiv-Wohngemeinschaft wird nur in Ausnahmefällen eine Lösung sein, weil auch dort keine Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Aber nicht nur die Intensivpflege ist massiv bedroht, sondern die gesamte Pflege. Viele Pflegebetriebe sind betroffen, sowohl ambulante Pflegedienste als auch Pflegeheime und Tagespflegeeinrichtungen. Einige Betriebe haben schon Insolvenz angemeldet. Ein großes Problem ist die Tariftreue-Regelung im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GWVG). Danach werden ab dem 1. September 2022 nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen, die ihr Pflege- und Betreuungspersonal nach Tarif oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen bzw. angelehnt an eines der beiden entlohnen. Das ist zwar erfreulich für die Pflegekräfte, bringt aber viele Betriebe in Schieflage, wenn die Lohnsteigerungen nicht refinanziert werden. Deshalb haben sich in mehreren Bundesländern Betriebe zu unterschiedlichen Initiativen zusammengeschlossen um sowohl die Landes- als auch die Bundespolitiker auf die prekäre Lage hinzuweisen. Es ist wichtig, solche Netzwerke zu bilden, um sich bei der Politik Gehör zu verschaffen und eine gravierende Versorgungskrise abzuwenden.
Allerdings sieht die Bundesregierung derzeit keine Schließungswelle im Bereich der Alten- und Langzeitpflege, wenngleich eine „etwas höhere Zahl an Insolvenzen“ im Vergleich zu früheren Zeiträumen zu verzeichnen sei. Doch die Auswirkung der stark gestiegenen Kosten ohne ausreichende Einnahmen wird sich erst demnächst bemerkbar machen. Dann ist es aber zu spät für die betroffenen Pflegebedürftigen gerade in den ländlichen Gebieten. Denn die Menschen möchten gern in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und nicht woanders in weiter Entfernung vom Heimatort gepflegt und betreut werden.
Bitte unterstützen Sie unsere Bemühungen und auch die Bemühungen anderer Netzwerke, denn ein Wegbrechen von Versorgungsstrukturen oder massive Versorgungsengpässe (besonders im ländlichen Raum) betrifft uns alle, da dies auch Auswirkungen auf die gesamte Gesundheitsversorgungskette nach sich zieht!
Roswitha Stille
Zeichnung: Kerstin Arndt