G. K., Altenpflegerin, 62 Jahre alt
Ich arbeite seit 6 Jahren in der 1:1 Intensivpflege. Vorher habe ich in verschiedenen Heimen gearbeitet, bis meine Gesundheit das nicht mehr zuließ. Mit mehreren Bandscheibenvorfällen und starker Arthrose in den Knien ist das Arbeiten dort für mich nicht mehr möglich. Die Arbeit in der 1:1 Intensivpflege kann ich noch schaffen, weil hier alle nötigen arbeitserleichternden Hilfsmittel vorhanden sind, was in Heimen durchweg nicht der Fall ist. Also würde ich ohne diese Art der Pflege nicht mehr arbeiten können und dann arbeitslos sein.
In meiner Berufslaufbahn habe ich gesehen wie es in den Heimen zugeht. Durch den dauernden Personalmangel ist dort eine menschenwürdige Versorgung leider nicht möglich.
Nun will unser Gesundheitsminister, Herr Spahn, alle bisher zuhause versorgten Wachkomapatienten zwangsweise auch noch in die Heime schicken. Wer soll diese versorgen? Wo sollen sie wohnen? Es ist ja jetzt schon zu wenig Platz in den Heimen. Wenn er glaubt, dass dann alle PflegerInnen aus der häuslichen Pflege in die Heime wechseln, hat er sich getäuscht. Ich und viele KollegInnen in meinem Alter könnten es nicht. Wie stellt er sich das vor? Große Räume, in denen mehrere Wachkomapatienten gleichzeitig rund um die Uhr überwacht werden? Weil für diese Patienten viele Überwachungsgeräte lebensnotwendig sind und diese andauernd piepsen, ist keine Ruhe für die Patienten möglich.
Bei jedem Alarm müssen die PflegerInnen sofort zur Stelle sein. Was passiert, wenn bei zwei oder mehreren beatmeten Patienten gleichzeitig Alarm durch Atemnot, was sehr oft der Fall ist, auftritt? Muss die Pflegeperson dann entscheiden, wem sie helfen kann und wer leider ersticken muss, weil kein weiterer Pfleger vorhanden ist? Jedem muss sofort geholfen werden.
Was ist mit der Privatsphäre der Patienten?
Glaubt der Gesundheitsminister Wachkomapatienten brauchen keine Privatsphäre? Möglichst auch keinen Besuch, denn der stört das Arbeiten des Pflegepersonals. Wenn ich mir vorstelle, dass immer viele andere Menschen, die versorgt werden müssen, mit im Heimraum sind, gibt es nie Ruhe. Wenn dann die Angehörigen zu Besuch kommen, was sicher nur selten passiert, denn welcher Wachkomapatient ist in der näheren Umgebung des Wohnortes im Heim. Jedem steht es zu auch mal ganz privat sein zu können, das geht im Heim aber nicht.
Zuhause sind die Wachkomapatienten in ihre Familien eingebunden. Sie sind dabei, auch wenn Besuch kommt. Sie werden im Rollstuhl auf begleiteten Ausfahrten mitgenommen. Wie soll das im Heim gehen? Ich benötige ca. 20 Minuten zum Umsetzen vom Bett in den Rollstuhl. Wenn dann mal jemand kommt, der den Patienten im Rollstuhl spazieren fahren könnte, ist keiner da, der den Patient in den Rollstuhl setzen kann, also bleibt der Wachkomapatient im Bett.
Sollen diese Patenten schneller sterben? Wenn sie nur noch notdürftig versorgt werden, geht das sicher schneller.
Haben Wachkomapatienten keine Menschenwürde?
Ist es nicht schlimm genug, dass sie dieses Leben führen müssen?
Hat der Minister überhaupt eine Ahnung davon, was es für die Angehörigen der Patienten bedeutet, dass so ein menschenunwürdiges Gesetzt überhaupt überlegt wird. Alle Familien der Wachkomapatienten haben ihr Leben geändert, um ihre Angehörigen zuhause versorgen zu können. Die Familie nimmt es auf sich ständig Pfleger und Therapeuten im Haus zu haben; haben Räumlichkeiten so eingerichtet, dass eine Pflege darin möglich ist. Das alles wird von der Familie gemanagt und finanziert. Warum also sollen alle Wachkomapatienten zwangsweise in die Heime verlegt werden?
Es gibt überhaupt keinen Grund diese Patienten zwangsweise aus ihrem gewohnten Umfeld, wo sie sehr gut versorgt werden, zu reißen.
Ich rate dem Minister Spahn dringend mal in einem Heim zu hospitieren, um den Alltag mit zu erleben, damit er sehen würde, wie eine Versorgung dort aussieht. Wenig Personal, ständiger Stress, weil viel zu viel Arbeit von viel zu wenigen Pflegekräften bewältigt werden muss. Dann würde auch er erkennen, dass es nur Nachteile mit sich bringt zwangsweise alle Wachkomapatienten auch noch in die Heime zu bringen.
Jede Familie eines Wachkomapatienten soll selbst entscheiden, ob ihr Angehöriger in einem Heim versorgt wird, oder ob es die Möglichkeit gibt, den Angehörigen adäquat in seinem gewohnten Umfeld versorgen zu können. Wenn eine häusliche Pflege möglich ist, muss diese immer Vorrang vor Heimpflege haben. Kein Wachkomapatient kann im Heim so viel Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen wie Zuhause.