12. Nachsorgekongress – Lichtblicke und Ausblicke

Welche neuen Erkenntnisse brachte der 12. Nachsorgekongress?

Kleine Ministerrunde v. l. n. r. : Rudolf Henke, MdB, Fraktion der CDU/CSU, Moderator Michael Krons, Jens Beck, MdB, Fraktion der FDP  und Sebastian Lemme, SHV - FORUM GEHIRN e.V.

Kleine Ministerrunde v. l. n. r. : Rudolf Henke, MdB, Fraktion der CDU/CSU, Moderator Michael Krons, Jens Beck, MdB, Fraktion der FDP
und Sebastian Lemme, SHV – FORUM GEHIRN e.V.

Der Nachsorgekongress betrachtet sich als Sprachrohr zwischen den Menschen mit erworbenen Hirnschäden und der Politik. Die Beteiligung der Politiker aus dem Bundestag ließ diesmal allerdings zu wünschen übrig. Zwei Parteien waren vertreten, die sich überwiegend über die noch nicht vollzogene Regierungsbildung austauschten. Ergebnis dieser dann doch noch in Gang gekommenen Diskussion, ist dann wie schon in den Vorjahren, dass die Gesetze allen Wünschen entsprechen und nur die Durchführung auf Länderebene hinterherhinkt. Eine weitere Politikerrunde auf Länderebene (auch dünn besetzt) ergab dann, dass die Minister überzeugt sind alle geforderten Möglichkeiten vorzuhalten, der Betroffene aber unzureichende Kenntnis der Gesetzestexte habe und somit nicht das Richtige einfordert. Na, wenn das so einfach wäre. Denn auch wer gut vorbereitet seine Rechte einfordert, bekommt meist ein „nein, das geht so nicht“. Wie kommt man dann weiter? Aus dem Podium wurden Schiedsstellen gefordert. Bei der Behindertenbeauftragten Verena Bentele soll es bereits eine solche geben. Nach meinen Recherchen geht es aber vornehmlich um „Barrierefreiheit“.

Stephan Völker, Saxophonist

Stephan Völker, Saxophonist

Der Kongress dient auch der Bestandsaufnahme der Entwicklung der geforderten Versorgung dieser oft übersehenen Betroffenen und ihren Angehörigen. Denn auch das wurde wieder sehr deutlich dargestellt: Eine erworbene Hirnschädigung begleitet sowohl Betroffene als auch die Angehörigen meistens ein Leben lang auf sehr unterschiedliche Weise. Stephan Völker, Saxofonist, berichtete über seine Entwicklungsgeschichte als Bruder eines schädelhirnverletzten Kindes. Seine kleinen Geschichten über das besondere Verhältnis zu seinem Bruder untermalte er mit selbst komponierten Stücken, die sehr beeindruckten.

Der Umgang mit solch einem einschneidenden Ereignis ist sehr unterschiedlich und wirkt sich auf die Krankheitsbewältigung und –akzeptanz aus. Hieraus ergibt sich dann immer ein anderer Teilhabebedarf, was zumindest nun im neuen BTHG seine Aufmerksamkeit findet. So waren Teilhabe, Resilienz, Individualität und Posttraumatisches Wachstum (PtW) ein sehr starkes Thema auf diesem Kongress. Was haben diese Schlagwörter mit der eigentlichen Krankheit und dem Rehaverlauf zu tun? Die Beschäftigung mit diesen Aspekten zeigte deutlich, wie individuell jeder Rehaverlauf ist und wie unterschiedlich Ansätze der Behandlung sein müssen. Je nachdem, wie z.B. das persönliche Umfeld eines Betroffenen aufgestellt ist, welche Werte und Normen in der Familie verwurzelt sind und gelebt werden, kann die Unterstützung sehr stark variieren. In vielen kleinen Workshops wurde sich mit diesem Gedanken beschäftigt. Aus dem sich herauskristallisierenden Hilfebedarf eines Betroffenen entwickeln sich auch immer wieder neue Möglichkeiten der Teilhabe. Ein wichtiger Workshop beschäftigte sich mit dem Thema Behindertensport und dem Augenmerk auf die Zugangsvoraussetzungen, also der Teilhabeplanung, die in diesem Bereich ganz sicher ausbaufähig ist.

Der Ruf nach Neuropsychologie, auf den es sei 2012 einen Anspruch in der ambulanten Versorgung gibt, stellt die niedergelassenen Neuropsychologen und die Anspruchsberechtigten vor neue Probleme, da es viel zu wenig Therapeuten gibt. Dadurch ist auch eine aufsuchende Betreuung nicht realisierbar. Die Dipl. Psych. Claudia Bauer erläuterte in einem weiteren Workshop die neuen Möglichkeiten der Versorgung von MeH’s durch Soziotherapeuten. Diese Berufsgruppe gibt es schon sehr lange, sie war aber bisher nur für sehr schwer psychisch Erkrankte zugelassen. Dies hat sich nun mit dem neuen BTHG geändert und so können MeH’s, die Beeinträchtigungen in den F – Klassifizierungen haben, diese Leistung erhalten. Sie ist aufsuchend, findet also in der Häuslichkeit statt und unterliegt keinen Budgetierungen. Verordnen kann diese Therapie ein Psychologe oder ein von der KV dafür zugelassener Arzt. Keine gute Nachricht ohne Aber: die Zahl der Soziotherapeuten ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Von Flächendeckung kann keine Rede sein. Aber es ist ein weiterer Schritt in eine gute Versorgung. Einen Bericht über diese Therapie finden Sie in dem neuen Sonderdialog zum Thema Heilmittel-Verordnung, den Sie demnächst hier unter „Downloads“ herunterladen können.

Der Nachsorgekongress fand diesmal am 1./2. März 2018 in Frankfurt/Main statt. Dies sollte auch südlich angesiedelten Interessenten die Teilnahme erleichtern. Leider fielen etliche Angemeldete und Referenten einem grippalen Infekt zum Opfer. Dennoch erweckte auch die übliche Industrieausstellung, sowie die Informationsstände von Verbänden und unsere Wanderausstellung „Lust am Leben“ reges Interesse und bot Gelegenheit zu vielen Gesprächen und förderlichem Austausch.

Kerstin Arndt
k.arndt@shv-forum-gehirn.de

 

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