MDK-Behandlungsfehler-Begutachtung: Medizinische Dienste stellen erneut mehr Fehler fest
14.828 Behandlungsfehlervorwürfe haben die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) 2015 begutachtet. In 4.064 Fällen und damit in jedem vierten Fall bestätigten die Gutachter den Verdacht der Patienten. Das geht aus der Jahresstatistik der Behandlungsfehler-Begutachtung hervor, die am 12. Mai 2016 in Berlin vorgestellt wurde. Der Medizinische Dienst kritisiert die unzureichende und intransparente Datenlage.
„Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes vor drei Jahren gibt es einen anhaltenden Aufwärtstrend. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Vorwürfe und damit die Nachfrage nach Sachverständigengutachten des MDK wieder leicht gestiegen“, sagt Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS. Im Jahr 2015 gingen die MDK-Gutachter in 14.828 Fällen einem Behandlungsfehlervorwurf nach; im Vorjahr waren es noch 14.663 Fälle. Auch bei den bestätigten Fehlern hat sich die Zahl erhöht von 3.796 auf 4.064.
„Die Sicherheitskultur ist in Deutschland noch unterentwickelt. Im Vergleich zu Ländern, in denen Behandlungsfehler verpflichtend gemeldet werden müssen, kann in Deutschland aufgrund der intransparenten Datenlage noch zu wenig aus den Fehlern systematisch gelernt werden“, erläutert Gronemeyer. Nötig seien ein offenerer Umgang mit Fehlern und eine gezielte Strategie zur Fehlervermeidung. Dazu müsse auch über die Einführung einer Meldepflicht für Behandlungsfehler diskutiert werden.
In der aktuellen Statistik der MDK-Gemeinschaft standen 7.693 Vorwürfe in direktem Zusammenhang mit der Behandlung im Operationssaal. Bestätigt wurden diese Vorwürfe in knapp jedem vierten Fall. Wenn man sich die Vorwürfe verteilt auf die Fachgebiete anschaut, ergibt sich folgendes Bild: 32 Prozent aller Vorwürfe bezogen sich auf Orthopädie und Unfallchirurgie, 11 Prozent auf die Innere Medizin und Allgemeinmedizin, weitere 11 Prozent auf die Allgemeinchirurgie, 9 Prozent auf die Zahnmedizin und 7 Prozent auf die Frauenheilkunde sowie 5 Prozent auf die Pflege. „Eine hohe Zahl an Vorwürfen lässt jedoch nicht auf eine hohe Zahl an tatsächlichen Behandlungsfehlern schließen. Die Zahl spiegelt vielmehr wider, ob der Patient selbst erkennen kann, ob das Behandlungsergebnis seinen Erwartungen entspricht oder nicht“, erklärt Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern. Wenn man sich die Fehler danach ansieht, wo sie auftreten, so steht ebenfalls die operative Therapie mit 31 Prozent an vorderster Stelle, gefolgt von der Befunderhebung mit 25 Prozent und der Pflege mit 9 Prozent. „Die Statistik zeigt trotz der beschriebenen Häufungen ein breites Spektrum: Die festgestellten Fehler betreffen hunderte verschiedene Erkrankungen und Behandlungsmaßnahmen“, erläutert Zobel.
Der Medizinische Dienst weist auf vielfältige Möglichkeiten der Fehlervermeidung hin. Voraussetzung dafür ist eine Auseinandersetzung mit den Schäden und den verursachenden Fehlern. „Fehler können im Unterlassen oder im Handeln liegen. 51 Prozent der Fehler wurden verursacht, indem eine notwendige medizinische Maßnahme entweder gar nicht oder zu spät durchgeführt wurde. In 49 Prozent der Fehler wurde eine Behandlung mangelhaft umgesetzt oder es wurde eine wenig sinnvolle, zum Teil sogar eine kontraindizierte Maßnahme vorgenommen“, sagt PD Dr. Max Skorning, Leiter Patientensicherheit beim MDS. Sehr aufschlussreich für die Fehlervermeidung ist die Analyse von so genannten Never Events. Dabei handelt es sich um besonders folgenschwere Ereignisse, die zwar selten sind, gleichzeitig aber einfach zu vermeiden. So können nach Operationen versehentlich Fremdkörper verbleiben, weil die Zählkontrolle nicht funktioniert hat. Oder es kommt bei Operationen aufgrund nicht genutzter Checklisten zu Verwechslungen oder zum Übersehen von Allergien und anderen Gefahren. „Es handelt sich bei diesen Ereignissen nicht um besonders unverständliche Fehler. Solche Fehler deuten vielmehr auf einen insgesamt unsicheren Versorgungsprozess hin. Seltenes, aber erwartbares, menschliches Versagen wurde in diesen Fällen nicht ausreichend abgesichert. Gerade hier wäre es wichtig, Anzahl, Art und zeitliche Entwicklung genau zu kennen, um auf dieser Basis gezielter gegensteuern zu können“, erläutert Skorning.
Hintergrund
Spezielle Gutachterteams prüfen in den MDK Vorwürfe von Behandlungsfehlern im Auftrag der Krankenkassen. Die Gutachter gehen dabei unvoreingenommen der Frage nach, ob die Behandlung nach dem anerkannten medizinischen Standard abgelaufen ist. Liegt ein Behandlungsfehler vor, wird außerdem geprüft, ob der Schaden, den der Patient erlitten hat, durch den Fehler verursacht worden ist. Nur dann sind Schadensersatzforderungen aussichtsreich. Auf der Basis des MDK-Gutachtens kann der Patient entscheiden, welche weiteren Schritte er unternimmt. Die MDK-Begutachtung umfasst neben der Beurteilung von Fehlern in der Medizin auch Fehler in der Zahnmedizin und Pflege. Gesetzlich Versicherten entstehen durch die Begutachtung keine zusätzlichen Kosten.
Quelle: MDS/MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung)
Internet: www.mds-ev.de