Pressekonferenz des Netzwerkes Schädel-Hirnverletzter in Düsseldorf

Das Netzwerk Schädel-Hirnverletzter in NRW hat am 13. Mai 2014 Experten und Interessierte nach Düsseldorf eingeladen, um erneut die besondere Situation Schädel-Hirnverletzter in NRW zu beleuchten. Um der Forderung zur Verbesserung der neurologischen Frührehabilitation (Phase B) Nachdruck zu verleihen wurde vom Sprecher des Netzwerks, Manfred Ernst das Memorandum vorgetragen, das an das Ministerium und die Krankenkassen geht.

Blick auf das Podium

Blick auf das Podium

„So, wie derzeit in Nordrhein-Westfalen die Versorgung neurologisch schwerst betroffener Patienten organisiert ist, vereitelt sie Lebenschancen.“ Mit diesen deutlichen Worten leitete Manfred Ernst, vom Verein CERES e.V. die Veranstaltung ein.

Bestandsanalyse

Im ersten Teil der Veranstaltung wurde vor allem nochmals ganz konkret mit Zahlen die derzeitige Situation schwerst Hirnverletzter belegt. Auch wenn Prof. Schönle einräumt, dass die Datenmenge von 10.000 Behandlungsfällen noch nicht ausgewertet ist, so beeindruckt doch, dass bereits das Datenmaterial von über 6.800 Fällen von 2010-2013 ausgewertet vorliegen. Je früher die Rehabilitation einsetzt, desto besser ist die Regeneration des Gehirns, so auch Prof. Dr. Stefan Knecht: “Und da ist die durchschnittliche Wartezeit von 14 Tagen auf ein Frühreha-Bett fatal. Genau in diesem Zeitkorridor gibt es eine Art natürliches ‘Resetprogramm’ des Gehirns. Danach ist diese besondere Chance verloren.”

Verweildauer in der Reha sinkt

Dr. Ursula Becker, Sprecherin der LAG Nerorehabilitation NRW und Manfred Ernst, Sprecher Netzwerk Schädel-Hirnverletzter in NRW

Dr. Ursula Becker, Sprecherin der LAG Nerorehabilitation NRW und Manfred Ernst, Sprecher Netzwerk Schädel-Hirnverletzter in NRW

Die von Schönle präsentierten Daten belegen sehr eindrucksvoll, dass auch die Behandlungsdauer der Rehabilitation deutlich sinkt. Nur 35% der Patienten haben 90 Tage, 25% nur die Hälfte, also 45 Tage und weitere 30% zwischen 20 und 30 Tage die Leistung der neurologischen Rehabilitation erhalten. Für die Experten und vor allem auch die Vertreter der Selbsthilfe eine viel zu kurze Zeit für eine Chance, zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Dadurch kommen viele der Rehabilitanden nicht auf für eine anschließende Rehabilitation geforderten Eingangskriterien und werden in ihrem Rehapotential falsch eingestuft. Damit verbunden ist die Verlegung nach Hause oder in Altenpflegeheimen untergebracht. Frau Altemeyer, die im Publikum saß war auch hier bestes Beispiel einer falschen Einschätzung: Mit 26 in ein Hospiz!

Hoher Beratungsbedarf der Patienten in NRW

Die unsichere Versorgungssituation neurologisch-neurochirurgischer Patienten in NRW führe zu einem überdurchschnittlich hohen Beratungsaufkommen, das vor allem die Selbsthilfegruppen und unabhängigen Patientenberatungen abdecken müssten. Dies berichtete der stellvertretende Geschäftsführer der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, Carsten Freitag, auf der Veranstaltung. Er zeigte sich erschüttert über die Entwicklung in NRW, das mal Vorreiter in der neurologischen Rehabilitation gewesen sei. „In Nordrhein-Westfalen kommt es nur deshalb nicht zum Aufschrei, weil die wenigsten verstehen, was hier passiert. Das System der medizinischen Versorgung mit seinen vielen Akteuren und Entscheidern ist zu komplex. Verlierer sind die Patienten und ihre Familien, die ihre Rechte nicht kennen“, so die Einschätzung Freitags.

Quote der neurologischen Frühreha deutlich unter Bundesniveau

Dr. Markus Ebke, Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik (rechts)

Dr. Markus Ebke, Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik (rechts)

Stefan von Bandemer von der  Ruhr Universität Bochum ging noch einmal auf die konkrete Situation der Frührehabilitation in NRW ein. Dabei betrachte er ausschließlich den Bereich der Schlaganfallbetroffenen, was jedoch für alle Hirnverletzten gilt. Die Frührehaquote in NRW ist, wie dies bereits auch das IGES Institut 2012 festgestellt hat, um das 4-6 fache niedriger als das in anderen Bundesländern. Wenn man die Prozente in Einzelschicksale umrechnet, so hört sich das so an: Bei den 2012 erfassten Schlaganfallpatienten von 63.034 Patienten erhielten 1,9% eine Frührehabilitation. Das sind 1.226 Menschen, während andere Bundesländer 5.799 Bürger in die Frührehabilitation schicken. Wem die Frührehabilitation vorenthalten wird, wird auch nicht in der Lage sein, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Diese Menschen werden von der Inklusion ausgeschlossen! Dr. Markus Ebke, erklärte den Sachverhalt warum sich in NRW die Besonderheit einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Rehakliniken und den Krankenkassen entwickelte. Diese deutlich abgespeckte Scheinvariante der Frührehabilitation wurde dann auch noch zur Verwirrung aller fälschlicherweise als Phase C plus bezeichnet.

Ministerium muss eingebunden werden!

Karl-Eugen Siegel, stell. Vorsitzender SHV - FORUM GEHIRN bei seinem Beitrag (2. von rechts)

Karl-Eugen Siegel, stell. Vorsitzender SHV – FORUM GEHIRN bei seinem Beitrag (2. von rechts)

Karl-Eugen Siegel, stellvertretender Vorsitzender des SHV – FORUM GEHIRN e.V.,  erklärte, dass als er sich auf dieses Thema vorbereitet hatte, denn Siegel kommt aus Baden-Württemberg, er große Schwierigkeiten hatte, das System in NRW zu verstehen. “Wissen Sie, eine Phase C plus gibt es eigentlich nicht und doch wird sie angeboten! Ich musste mich da erst umhören, sowohl bei den Rehabilitationsträgern, meinen Kollegen aus der Selbsthilfe und natürlich im Ministerium.” So zitierte er auch einige sehr aufschlussreiche Stellen aus dem Plenarprotokoll des Landtag Nordrhein-Westfalens vom 26. März 2014. Im besagten Dokument ist von der Ministerin Barbara Steffens zu lesen: “Deswegen ist es wichtig, dass man sofort eine optimale Versorgung im Krankenhaus bekommt. Und zu dieser optimalen Akutversorgung gehört es gerade, dass ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt die Frührehabilitation greift” (s.oben: Bestandsanalyse). Auch machte die Ministerin, so Siegel genau auf das hier diskutierte Problem aufmerksam. Es kann zwischen der Akutphase und der von den Rehabilitationskliniken angebotene Rehaphasen C und D keine zwei Phasen B geben. “Die Ministerin Steffens müssen wir ins Netzwerk bekommen, denn sie hat dies doch in der Plenarsitzung ganz klar formuliert”, so der Württemberger.

Siegel und Ludwig vom SHV – FORUM GEHIRN e.V. ziehen aus der Pressekonferenz die Schlussfolgerung, dass es das gemeinsame Ziel sein muss, das Ministerium und Krankenkassen NRW auch in das Netzwerk Schädel-Hirnverletzter einzubinden.


pdf-ico   Memorandum Schädel-Hirnverletzter in NRW 2014


Karl-Eugen Siegel
Stellv. Vorsitzender
SHV – FORUM GEHIRN e.V.

13.Mai 2014

 

Videobeiträge zum Artikel

Quelle: Netzwerk Schädel-Hirnverletzter in NRW Quelle: Netzwerk Schädel-Hirnverletzter in NRW