Test für Wachkomapatienten

fragenFrage 

Habe Sie schon von diesem Test gehört bzw. liegen Ihnen ggf. schon Erfahrungsberichte vor?
Meine Mutter liegt wegen Komplikationen bei einer Gallen-OP seit April 2013 im Wachkoma. Nach einem Rehaaufenthalt in Kreischa ist sie seit August 2013 im Pflegeheim.

In einem Zeitungsartikel sowie in der Sendung Planetopia wurde ein Test für Wachkomapatienten vorgestellt. Durch Messung von Hirnströme beim Vorlesen von sinnvollen und sinnlosen Sätzen wird das Sprachverstehen und dadurch die Wahrnehmungsfähigkeit getestet. Dieser Test klang für unsere Familie sehr interessant.

Als Anlage maile ich Ihnen den Zeitungsartikel.

Hier ist der Link von der Sendung „Planetopia“:
http://www.planetopia.de/nc/archiv/news-details/datum/2013/10/28/kampf-dem-wachkoma-neue-tests-zeigen-patienten-chancen-auf.html
Vielen Dank im Voraus für eine Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Kathrin H.

 

120px-Gnome-mail-forward.svgAntwort:

Entdecken der kognitiven Funktionen bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen

Wie können wir jemals zweifelsfrei wissen, dass eine andere Person bewusst ist? Die einzig zuverlässige Methode für den Nachweis von Bewusstsein einer anderen Person, sind vorhersagbare Verhaltensreaktionen auf eine externe Aufforderung, oder einen Befehl.
Aber wie können wir das Bewusstsein erkennen, wenn der Mensch nicht kommunizieren oder nicht reagieren kann?

Durch den technologischen Fortschritt der letzten Jahre auf dem Gebiet des Neuroimaging und der elektrophysiologischen Untersuchung, wurden Methoden zur Darstellung von Gedanken, Taten und Absichten, anhand von Mustern in der Gehirnaktivität, entwickelt. Diese bildgebenden Verfahren werden dazu verwendet, um Bewusstsein bei Abwesenheit von verhaltensbasierten Antworten zu entdecken. Man kann diese in zwei Gruppen unterteilen:

Funktionelles Neuroimaging:

Funktionelles Neuroimaging wie z.B. Positronen-Emissions-Tomographie oder funktionelle Magnetresonanztomographie werden als ist der Neuroimaging-Technologie eingesetzt, um einen Aspekt der Gehirnfunktion zu messen. Es dient hauptsächlich als Forschungsinstrument in der kognitiven Neurowissenschaften und der Neuropsychologie.

Im Vergleich zu den neurophysiologischen Untersuchungsmethoden zeigt funktionelles Neuroimaging eine sehr niedrige zeitliche Auflösung, die neuronale Aktivität wird nicht direkt gemessen, sondern die Veränderungen von Blutfluss und -oxygenierung lassen auf Aktivität schließen.

Elektrophysiologische Untersuchung:

Elektrophysiologische Untersuchungen wie z.B. EEG, QEEG und ERPs bieten einige Hinweise auf den Zustand der gesamten Funktion des Nervensystems.

Als ERP oder ereigniskorrelierte Potentiale werden Wellenformen im Elektroenzephalogramm (EEG) bezeichnet (je nach Schwierigkeiten beim Verständnis von Sätzen P300, N400 und P600), die entweder durch Sinneswahrnehmungen ausgelöst (evoziert) werden oder mit kognitiven Prozessen (z. B. Aufmerksamkeit und Sprachverarbeitung) verbunden sind.

In einer jüngsten Studie haben die Wissenschaftler der Universität Bielefeld diese Methode zur Bewertung der Informationsverarbeitung bei 92 Patienten im sog. Wachkomazustand angewandt.

Sie haben gezeigt, dass die N400-ERP ein wichtiges Instrument zur Beurteilung der Informationsverarbeitung ist, und die Wahrscheinlichkeit der Erholung von Patienten im sog. Wachkoma vorhersagen kann. Dieses Verfahren ist einfach, wiederholbar, hat keine Kontraindikationen und kann in der klinischen Routine eingeführt werden.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass jede Sprachstörung Patientenreaktionen auf verbale Aufforderung/ auditives Sprachverständnis verhindern kann und zu einer Fehldiagnose oder zumindest einer Unterschätzung des Bewusstseinszustandes des Patienten führt. Die kombinierte Verwendung von neuropsychologischen Assessments, Neuroimaging-Techniken und ERP scheint sehr vielversprechend für die Untersuchung von Patienten mit Bewusstseinsstörungen und Aphasie.

Quellen:
1- Owen, Adrian M., Detecting Consciousness: A Unique Role for Neuroimaging, ANNUAL REVIEW OF PSYCHOLOGY, VOL 64 Book Series: Annual Review of Psychology 2013, Volume: 64
2- Yevgeniy B. Sirotin, Aniruddha Das: Anticipatory haemodynamic signals in sensory cortex not predicted by local neuronal activity. In: Nature. Bd. 457, S. 475–479, doi:10.1038/nature07664, PMID 19158795
3- M. Spitzer, M. Weisbrod, Sabine Winkler, Sabine Maier: Ereigniskorrelierte Potentiale bei semantischen Sprachverarbeitungsprozessen schizophrener Patienten. Nr. 3, Springer, Berlin / Heidelberg 20. März 1997
4- Steppacher I, Eickhoff S, Jordanov T, Kaps M, Witzke W. & Kissler J. (2013). N400 Predicts Recovery from Disorders of Consciousness. Annals of Neurology. wileyonlinelibrary.com. DOI: 10.1002/ana.23835
5- sibaei A, Entdecken der kognitiven Funktionen bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen und Aphasie: wie effektiv sind die neuropsychologische Assessments?, Deutsches Institut für Wachkoma-Forschung, Haus Christophorus, Köln

von: Alireza Sibaei OT BSc., NR MSc.
Direktor des Deutschen Instituts für Wachkoma-Forschung (DIWF) und Neurorehabilitation von Menschen im sog. Wachkoma Haus Christophorus, Alexianer Köln GmbH
Februar 2014