Vier kleine Worte….. – Ein Schicksal in der SHG ceres Stuttgart

Am 8. Juni 1976 verunglückte Frank Haueisen, damals 16 Jahre alt, mit dem Moped und wurde mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Günzburg zur Kopfoperation verlegt.

Hallo Mutti wie geht's

Hallo Mutti wie geht’s

Seine Mutter, die ihn ihm Krankenhaus besuchte, flüsterte ihm 4 kleine Worte aus der Bibel ins Ohr „Du, Gott, siehest mich“ (1. Moses 16,13). In ihr Tagebuch schrieb sie dazu: „Als Frank noch bewusstlos war, sagte ich ihm diese Worte gegen die Angst.“ Frank lag auf der Intensivstation in Biberach im „apallischen Durchgangssyndrom“, mit einer Magensonde in der Nase, geschorenen Haaren, angeschwollenem Kopf nach einem doppelseitigen Schädelbasisbruch, einem Luftröhrenschnitt und mit starrem Blick.

Seine Mutter, Verwandte und Freunde besuchten ihn täglich und machten ihm Mut. Sie erzählten ihm am Bett gemeinsame Erlebnisse und gaben ihm Zuversicht und Halt.

Drei Monate später konnte Frank seiner Mutter zum ersten Mal die Hand drücken und die Monitorüberwachung wurde langsam abgebaut.

Tägliche folgten Therapien und mühsame Gehversuche. Weitere 2 1/2 Monate später konnte er wenige Worte sprechen und am 10.9.1976 schrieb er seiner Mutter auf einen kleinen Zettel: „Hallo Mutti wie geht’s?“. (rechts im Bild)

Frank

Frank

4 Monate nach seinem Unfall wird Frank in die Rehaklinik nach Gailingen verlegt. Er trägt einen Kopfschutz, um sich beim Stürzen zu schützen. Ein Handicap auf Grund spastischer Lähmungen. Bis heute ist diese Spastik in seiner linken Körperhälfte zurück-geblieben. Frank trägt immer noch eine Gehschiene und braucht wegen der Stolpergefahr eine ständige Begleitung auf Reisen.

Aus seiner Rehazeit in Gailingen (1977 – 1978) hat er noch immer sein erstes selbst hergestelltes Werkstück behalten, einen kleinen Hund aus Holz.

Mai und Frank

Mai und Frank

Am 21.6.1978 wird er nach Hause entlassen. Weitere ambulante Therapiemaßnahmen folgen.

2 ½ Jahre später macht Frank eine Ausbildung als Büropraktiker und besteht am 28.10.1982 seine Prüfung.

Heute wohnt Frank mit seiner Freundin Ulrike Gambach in einer schnuckelig eingerichteten Wohnung in der Gustav Werner Stiftung in Reutlingen. Frank arbeitet dort als hausinterner Postbote und Ulrike ist Hauswirtschafterin in einem Altenheim und schmiert, unter anderem, täglich liebevoll Marmeladebrote für die Bewohner.
1995 kam Frank zum ersten Mal mit dem regionalen Verein ceres Stuttgart in Kontakt. Bei einem gemeinsamen Ausflug der beiden ceres Vereine Tübingen und Stuttgart, in den Freizeitpark nach Rust, lernten wir ihn kennen. Er stellte sich uns damals verschmitzt als „Fachlehrer“ der Gustav Werner Stiftung in Reutlingen vor.

Regelmäßig besucht er seitdem unseren ceres Treff und zusammen mit seiner Ulli gehören sie zur großen „ceres Familie“. Wir freuen uns immer auf Ulrike`s selbstgebackene Hefezöpfe und sie sorgt dafür, dass alle ihren Kaffee beim Treff bekommen, bevor es 3 Stunden lang ans Debattieren und Erfahrungen austauschen geht. Frank ist beim Treff für das Kopieren von wichtigen Unterlagen zuständig, denn bei ceres Stuttgart geht niemand mit leeren Händen nach Hause. Wenn wir uns öffentlich präsentieren, zum Beispiel beim jährlichen Feuerseefest in Stuttgart, sind die beiden auch dabei und Frank wird niemals müde seine ganz spezielle, dramatisch geschilderte Genesungsgeschichte, Neubetroffenen und deren Angehörige zu erzählen. Er macht ihnen damit Mut, denn auch noch nach so vielen Jahren kann er bei sich Zustandsverbesserungen feststellen. Ein Phänomen gefällt ihm an sich ganz besonders, er kann nach seinem Unfall wesentlich besser rechnen und schreiben als vor dem Unfall und dies stellt er uns immer wieder unter Beweis.

Franks schnittiger Kurvenstil mit Fahrrad

Franks schnittiger Kurvenstil mit Fahrrad

Vor ein paar Monaten brachte er uns stolz einen Zeitungsartikel mit. Wir konnten ihn auf seinem neuen „Arbeitsfahrrad“ mit Elektroantrieb bewundern, dass ihm von der Fahrradwerkstatt der Gustav Werner Einrichtung, zum leichtern Transport seiner wertvollen Fracht auf dem bergigen Einrichtungsgelände, gebaut und feierlich übergeben wurde. Dies machte uns neugierig.

Bei Frank und Uli Kaffee in Cafeteria

Bei Frank und Uli Kaffee in Cafeteria

 

 

Am 10. Mai 2013 besuchten wir Frank und Ulrike in Reutlingen. Er zeigte uns lachend seine schnittige Kurvenfahrtechnik. Am Nachmittag führten uns die beiden hinaus auf das große Gelände der Einrichtung. Es ging vorbei an der Porte, wo er uns als seine „ceres Familie“ aus der Selbsthilfegruppe in Stuttgart vorstellte und uns dann die von ihm zu leerenden Postfächer als „Fachle(h)rer“ zeigte. Wir sahen blühende Obstwiesen, einen netten Hofladen und einladende Werkstätten mit Keramikartikeln. Die Einrichtung hat viel zu bieten. Ulrike musste am Spätnachmittag ihren Dienst in der Küche des Altenheimes antreten. Aber bevor sie uns in ihrer Arbeitskleidung ihren Arbeitsplatz mit allen Räumen zeigte, genossen wir noch gemeinsam eine gute Tasse Kaffee und selbstgebackenen Kuchen in der Cafeteria.

Es war für uns ein schöner Tag in Reutlingen bei Frank und Ulrike und wir versprachen sie mal wieder zu besuchen. Ich bedanke mich für den Blick in Mutters Tagebuch.

Ingrid Pramberger

Juni 2013


 

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