Ernährung von Menschen mit Schluckstörungen

Eine Therapiestunde im ZENTRUM DER REHABILITATION R. GEERLOFS GMBH

Eigentlich nichts Neues. Die Ernährung ist wichtig für die Existenz des eigenen Lebens. Es ist ja auch unbestritten wir müssen Nahrung zu uns nehmen. Der Mensch hat es gelernt und nimmt die Nahrung oral zu sich. Alles was ihn schmeckt genießt er normalerweise. Auf jeden Fall „isst“ das Auge mit. Wir möchten dabei genießen und dass möchte eigentlich jeder.

Was ist mit den Menschen, die auf Grund von Beeinträchtigungen nicht schlucken können? Wir hören es immer wieder ungern. Die Nahrung über eine Sonde, zugeführt über ein System, möchte eigentlich keiner. In der Öffentlichkeit wird das kontrovers diskutiert. Bei Schädelhirnverletzten ist es oftmals überhaupt nicht zu vermeiden. Die enterale Ernährung gehört zeitweilig dazu. Zeitweilig – und nicht auf ewig. Aus diesem Grunde wird die Umstellung von enteraler auf orale Ernährung, für den Menschen wichtig, denn damit wird auch die Lebensqualität verbessert.

Bei Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen, wird gerade in einem frühen Stadium enteral ernährt. Da ist die PEG gelegt, die Sondenkost angehängt und mittels einer Pumpe wird die Nahrung zugeführt. Erst einmal erforderlich für den Erhalt des Lebens durch Nahrungsaufnahme. Wird am Anfang noch über die Pumpe die Nahrung zugeführt, ist es sicherlich später überlegenswert die Nahrung über die Bolusgabe zu realisieren.

Es wird aber auch möglich sein, je nach Individualität des Menschen, die Ernährung langsam und zuerst begleitend oral zu verabreichen. Das ist ein schwieriger und sicherlich auch ein beschwerlicher Weg.

Hier sind die Experten für Schluckstörungen gefragt. Es werden die Logopäden sein, die maßgeblich für die F.O.T.T. ™ verantwortlich sind.

Schluckstörungen zu erkennen und dann erfolgreich zu therapieren, dazu gehören die Experten und dann auch der Mensch mit seinen Schluckstörungen. Ich sehe da einen engen Zusammenhang zu einer erfolgreichen Therapie.

Weg von der Sonde hin zur oralen Aufnahme ohne Gefahr der Aspiration, so haben wir als Angehörige den Weg zu beschreiten. Es ist aber unabdingbar erforderlich, es mit den Experten zu leisten. Zu viele Gefahren lauern, wenn der Angehörige den Weg ohne Schluckexperten geht.

Bei meinem Besuch im Therapiezentrum Geerlofs in Pforzheim konnte ich eine Schluck-Therapiestunde begleiten. Frau Nora Schlegel, staatlich anerkannte Logopädin und die Familie E. gestatteten, dass ich bei der Therapie dabei sein konnte.

Lippenschluß beim Schlucken

Lippenschluß beim Schlucken

Es wurde ein Jogurt gereicht. Die „Patientin“ wurde begrüßt und auch nach dem persönlichen Befinden gefragt. An die letzte Therapiestunde wurde erinnert und festgehalten 15-mal geschluckt zu haben. Freude über die bisher erfolgreich durchgeführte Therapie wurde geweckt und somit gleich an die kommende Stunde eine positive Bereitschaft der Patientin geweckt. Heute, so die Therapeutin wollen wir, dass 20-mal geschluckt wird. Das bestätigte die Patientin mit einer Gelassenheit. Keine Angst vor dem was kommt!. Und schon ging es los. Die Patientin öffnete selbstständig den Mund und die Therapeutin reichte ihr den Jogurt mit dem Löffel. „Lippen schießen und geschlossen halten“, so die Therapeutin. Zudem führte sie einen Spatel der Patientin zwischen die Lippen, damit der Lippenschluss bestehen bleibt und der Patientin beim Schlucken den Mund geschlossen hält. Mal klappte es, dann mal wieder nicht ganz, aber es war ersichtlich, dass es ein erfolgreicher Weg war. Mir fiel auf, dass die Patientin durch Schmerzen im Bein abgelenkt wurde und sich dadurch sehr starke Spannungen aufbauten. Hier musste einmal eingegriffen werden, um die Beinstellung zu verändern, damit die Schmerzen in den Hintergrund treten konnten. Schwieriger waren die Punkte der Berührungen durch die Therapeutin (mit einem Eisstab) damit die Patientin mit der Zungenspitze an der Unterlippe oder an der Oberlippe diese Punkte der Berührungen nachzuvollziehen konnte.

Dies kann eine wichtige vorbereitende Maßnahme für Schlucktraining sein, da bei neurologischen Patienten oftmals die Sensibilität intra- und extraoral eingeschränkt sein kann.

Einsatz des Eisstabes zur Sensibilisierung

Einsatz des Eisstabes zur Sensibilisierung

Die Punkte wahrzunehmen, war unten kein Problem aber oben mittig war extrem problematisch. Es war zu beobachten mit wieviel Konzentration und damit mit zuviel Spannung die Patientin dabei war. Kein Problem wenn sie den Mund öffnete und dann mit der Zunge auch die Zielpunkte erreichte. War der Mund zu sehr geöffnet, dann war es sehr schwierig. Zudem musste die Therapeutin auf die leicht nach vorn genommene Kopfhaltung achten und die Patientin stetig darauf hinweisen.

Eine sehr nachvollziehbare Maßnahme, denn mit einer Überstreckung nach hinten, fällt es sogar dem gesunden Menschen schwer richtig zu schlucken. Probieren Sie es einfach einmal aus und dann wissen Sie es aus einer Eigenerfahrung und es wird Ihnen auch gleich leichter fallen darauf zu achten. Die Eigenerfahrungen sind als Angehöriger immer wichtig, denn dadurch können Sie auch vieles besser nachvollziehen, wenn die Spezialisten aktiv werden. Als pflegender Angehöriger sind wir auch immer selber aktiv und somit auch veranlasst genauer hinzuschauen und hinzuhören. Zudem ist es auch Aufgabe der Therapeuten, Angehörige und Patienten über die Therapieziele, Problemstellungen oder Fortschritte regelmäßig zu informieren und mit einzubeziehen. Formuliert ein Patient – wenn dies nicht möglich der Angehörige – seine Therapieziele selbst, erhöht dies die Motivation enorm.

Ernährung früh bei Schluckstörungen

Ernährung früh bei Schluckstörungen

Erstaunlich für mich war, dass die Patientin sprach und somit auch ihren Willen zum Ausdruck brachte. Sie hörte zu und nahm auch das Vogelgezwitscher über das geöffnete Fenster war. Sie hatte hier eine deutliche Wahrnehmung, die sie auch bei den Bemerkungen durch die Therapeutin zeigte.

Diese Stunde war eine gute Lehrstunde für mich. Auch der Angehörige bemerkte die Fortschritte und das Bemühen der Patientin mitzuarbeiten.

Nun schauen wir uns einmal die Darreichungsform der Speisen für Patienten für Schluckstörungen an. Es soll zu schlucken sein, es soll für das Auge gut anzusehen sein und es soll auch schmecken. Eine ganze Reihe von Anforderungen, die doch kein Problem darstellen dürften.

Mittagessen bei Schluckstörung

Mittagessen bei Schluckstörung

Der Kostaufbau sollte unbedingt nach der den Logopäden bekannten Hierarchie erfolgen (von fein püriert, über etwas gröber püriert, bis hin zum Kauen der Nahrung und einer Normalisierung der Kost). Auch das Achten auf Nebenerkrankungen (Allergien, Diabetes, etc.) stellt beim Kostaufbau eine große Rolle. Zudem sollte mit Speisen begonnen werden, welche der Patient bevorzugt und genießen kann. All das, zusammen mit der Überlegung, welche Kost bei einer möglichen Aspiration weniger schädlich für die Lunge sein könnte, spielt eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Schlucktherapie.

Hier ist beim Anrichten der Mahlzeiten Kreativität gefragt. Ich habe mich davon überzeugt. Frühstück und Mittagessen habe ich mir angesehen. Auch hier wiederum eine Zeit vorerst der Therapeuten und dann auch mehr die Aufgabe von anderen Kräften. Da sehe ich den Angehörigen genauso so wie die Pflegekraft oder die Betreuungskraft.

Ein gutes Angebot für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen mit Schluckstörungen.

 

Lothar Ludwig
Bundesvorsitzender
SHV – FORUM GEHIRN e.V.