Der weite Weg zurück in den Fluss des Lebens…..

Das Gedankenkarusell kreist, immerfort um dieselben Sorgen und Nöte. Nachts wache ich auf und  denke gleich wieder an unangenehme Situationen und ungelöste Probleme. Das und jenes muss noch erledigt werden und das darf ich nicht vergessen! Meine Stimmung ist schon vor dem Aufstehen, wie so oft, beim Nullpunkt angekommen. Aber halt, heute machen wir doch einen Ausflug,  mit meinen neugewonnenen Freunden und Bekannten aus der Selbsthilfegruppe von  ceres Stuttgart. Ich springe förmlich aus dem Bett und freue mich  auf  unsere  gemeinsame Zeit.

Wir treffen uns am ausgemachten Zielbahnhof. Das Wiedersehen ist herzlich. Lachend  umarmen wir uns  und scherzen. Wie gut das tut! Mit dem Auto geht’s weiter nach Gschwend/Rotenhar in den schwäbischen Wald. Durch Zufall habe ich von dem Projekt der Fürst Pichler Stiftung gehört und ich bin gespannt, wie dieser Besinnungsweg, wie ihn die Organisatoren nennen, bei den Teilnehmern ankommen wird. Etwas Herzklopfen habe ich schon. Die Strecke ist 5 Kilometer lang und  der  Waldboden uneben. Schaffen das alle mit ihren Handycaps? Ich mache mir innerlich Mut, gemeinsam sind wir stark, wir schaffen das!

Und dann sind wir da. Wir kommen an ein großes Fenster und blicken in einen Dschungel. Der  Blick in den Wald, mit seinen hohen und kleinen Bäumen, blühenden Büschen und Blumen überwältigt uns. Dieser Duft, ah, dieses Grün und diese Stille. Die Sonne spielt mit ihrem Schatten ein  Lichtspiel. Wir schauen andächtig durch dieses Fenster und wir hören den Wald mit seinen Geräuschen.

Ein Knacken hier, der warnende Schrei des Eichelhähers dort. Die Vögel mit ihren jubilierenden Tönen. Wir holen tief Luft und sind, ohne es zu merken, im Hier und Jetzt des Waldes gefangen. 
 Nur der Augenblick zählt, vergessen sind in diesem Moment, unsere Sorgen, unsere Leiden. Wir genießen unser Zusammensein und diese schöne Natur.      
Das Grün überwältigt uns, wir können uns kaum satt sehen. Die Sonne zaubert Lichtimpulse auf die Blätter und es entstehen Farben, so herrlich, sie wärmen  unsere Seele. Ich freue mich innerlich und fühle mich wohl und merke, den anderen geht es genauso.

Wir wandern vorbei an einem See, dessen Wasseroberfläche den Wald spiegelt. Der See wird gespeist von einem Bach mit kleinen Wasserfällen, in denen sich Sonnenstrahlen blitzend kreuzen. Wir verlieren uns an die Natur und unsere Gedanken versinken im munteren Rauschen des Wassers.  Wie schön ist dieser Augenblick. Zwölf Stationen auf dem Weg zeigen uns mit Wort und Symbolik wie ein Leben gut oder nicht so gut gestaltet werden kann.

Ganz deutlich spüren wir die Enge der schräg nach innen gesteckten Pfähle. Der enge Weg mit der fehlenden Kopffreiheit, dem Gedankenkarusell ,mit der Enge im Kopf und dem  bedrohlichen Tunnelblick, nur die Krankheit zu sehen. Das Leben mit seinen vielen interessanten Möglichkeiten, es kann so nicht wahrgenommen werden.

Wir atmen förmlich auf, beim weit gesteckten Weg und sehen,  mit dem nach oben offenen Blick, die Natur und in den blauen Himmel. Der Blick wird frei für ein Leben um uns herum.  Die bedrohlichen Schatten weichen. Die Sonne kann bis tief in unsere Seele eindringen.

Am  langen Tisch rasten wir und  teilen  unsere mitgebrachten „Schätze“. Wir diskutieren über unsere Empfindungen

Mit neuer Kraft wandern wir über verschlungene Wege, zwischen des Tannenwalds Kinderstube, vorbei an prachtvollen Fliegenpilzen und summenden Insekten, die sich schwer und nektartrunken durchs Sonnenlicht bewegen. Welche Fülle bietet die Natur nicht nur unseren Mitgeschöpfen. 

Der Weg führt uns zum dunklen Labyrinth, in deren Mitte bedrohlich  der Dornenkranz hängt. 
Allzu oft  spüren wir diese Dornen im Kopf und in unseren Gedanken. Sie lähmen unser Tun und unsere Lebensqualität!
Wie kann man diesen dunklen Gedanken entfliehen?

Das Symbol der Himmelsleiter will uns  den Weg zeigen.

Es wird immer aufwärts gehen, auch wenn uns oft Balken, gleich Hindernisse, im Wege stehen! Die Botschaft lautet:  Es kommt uns immer wieder was in die Quere, so ist das Leben. 
Doch, es ist entscheidend wie wir damit umgehen. Sehen wir nur die Kreuze und Hinternisse oder manchmal  auch die Weite des Himmels im Fluss des Lebens?

Nachdenklich legen wir unseren Weg zurück und erreichen einen schön gedeckten Tisch.

Wir entdecken  Früchte, Kekse, Bonbons und einen netten Brief, der Organisatoren, mit dem Vers aus der Bibel: „ Der Herr ist mein Hirte, mir soll an nichts mangeln….. „
Welch liebevolle Geste. Wir sind gerührt.

Ja, wir merken es, wir sind nicht allein!  Menschen helfen uns immer wieder in den Fluss des Lebens zurück. Zuversicht und Mut hilft uns dabei. 
Auch die Selbsthilfegruppe hilft jedem von uns. Wir brauchen nur beherzt auf die Gruppenmitglieder zugehen. Es findet sich immer jemand zu Gespräch.
Wir nehmen uns vor, bald mal wieder einen gemeinsamen Ausflug zu gestalten.

Das Leben kann trotz unserer Handycaps so schön sein!

 

Ingrid Pramberger
Selbsthilfegruppe ceres Stuttgart

August 2012

 

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